Diversity-Rat: Einsatz für Vielfalt und Gleichberechtigung

BERTINI-Preis 2023 · Heinrich-Hertz-Schule

37 Schüler*innen der Heinrich-Hertz-Schule in Winterhude setzten sich im neu gegründeten Diversity-Rat mit Diskriminierung und Rassismus auseinander. Sie organisierten dazu Podiumsdiskussionen, Workshops und eine Ausstellung, um ihre Mitschüler*innen für das Thema zu sensibilisieren

Die Heinrich-Hertz-Schule in Winterhude ist als einzige Stadtteilschule Hamburgs eine UNESCO-Projektschule. Gemäß dem Leitbild der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur setzen sich Jugendliche dort freiwillig jedes Schuljahr in diversen Aktionen etwa für Frieden, Umwelt oder Kommunikation ein. So hatte sich eine Gruppe von UNESCO-Schüler*innen aus der Oberstufe für das Schuljahr 2022/23 vorgenommen, das Thema Diversität und Rassismus in das Bewusstsein der Schulgemeinschaft zu bringen.

Dazu organisierten die Schüler*innen unter anderem eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Rassistische Realitäten. Wie setzt sich Deutschland mit Rassismus auseinander?“ So hieß eine neue Studie des Deutschen Zentrums für Integration und Migrationsforschung (DeZim), die auf dem Podium mit Experten, einem Schüler*innen- und Elternvertreter und dem Publikum diskutiert wurde. „Aus dem Publikum gab es auch einige bewegende Äußerungen zu persönlichen Erfahrungen mit Rassismus“, sagt Schülerin Ina Marie Meier (18). Für die Schüler*innen war das ein Impuls, das Thema breiter aufzustellen.

Sie gründeten den Diversitiy-Rat. „Er setzt sich aus Schüler*innen, Eltern und Lehrer*innen zusammen und wendet sich gegen Rassismus und Diskriminierung, indem er darüber aufklären und dafür sensibilisieren will“, sagt Maitili Reddy (18). In diesem Sinn planten die Schüler*innen weitere Aktionen für das neue Schuljahr, eine davon war, eine Ausstellung über Rassismus an die Schule zu holen und dazu begleitende Workshops zu organisieren.


Jonas Walzberg
Jonas Walzberg

Mit einer Ausstellung machten die Schüler*innen auf Rassismus gegen Schwarze aufmerksam
Dafür nahmen die Jugendlichen Kontakt mit Dominik Lucha auf, der den Instagram-Kanal „Was ihr nicht seht“ eingerichtet hatte. Der Student des Medienmanagements aus Stuttgart gibt damit schwarzen Menschen eine Plattform, über ihre Rassismus-Erfahrungen in Deutschland zu berichten. „Es sind dort schockierende Erfahrungen zu lesen“, sagt Mercy Onwuka (15). Diese Aussagen werden auch als Ausstellungsplakate zur Verfügung gestellt. „Bei unseren Plänen, die Ausstellung an unserer Schule zu zeigen, gab es Bedenken von der Schulleitung. Weil sie so viele heftigen Aussagen von Betroffenen beinhaltet, sollte sie nicht unkommentiert zu sehen. Mit unserem Vorschlag, die Ausstellung mit einführenden Workshops zu begleiten, konnten wir die Schulleitung überzeugen“, sagt Eldar Uzicanin (18).

Von einer Expertin des Institutes für Konstruktive Konfliktaustragung und Mediation (IKM) ließen sich die Schüler*innen zu Peer-Guides ausbilden, um Workshops mit anderen Jugendlichen aus verschiedenen Klassenstufen zu leiten. Auch mit einigen Tipps von Lehrern konnten sie ihre Workshops schließlich umsetzen. „Wir haben uns in den Klassen den Themen Rassismus und Diskriminierung zum Beispiel mit Fragespielen genähert und über Definition und Arten von Rassismus sowie eigene Erfahrungen dazu gesprochen“, sagt Eldar. Dabei haben die Schüler*innen ein Bewusstsein entwickeln können, was es heißt, diskriminiert zu werden, wann man selbst diskriminiert und was man dagegen tun kann. „Es war ein Safe Space, in dem die Schüler*innen alles aussprechen konnten“, sagt Ina. Nach dieser Vorbereitung in den Workshops gingen die Guides mit den Klassen zusammen in die Ausstellung, wo sie sich der Realität von schwarzen Menschen stellten, die alltäglich von Rassismus betroffen sind.


Jonas Walzberg

„Manchmal entsteht Rassismus auch aus Unwissenheit, weil man unbewusst etwas sagt, das den anderen herabsetzt.“

Marten Grußendorf (18), Schüler der Heinrich-Hertz-Schule

Als nächstes Projekt ist eine Online-Meldestelle für Diskriminierungsfälle geplant
Das Konzept sei gut aufgegangen, sagen die Schüler*innen. „Es gab in manchen Klassen einige Vorurteile, deshalb war es wichtig, darüber zu sprechen und die Sicht der jeweils anderen kennenzulernen“, sagt Alicia Reichel (17). Die Workshops haben zur Sensibilisierung im Umgang miteinander beigetragen, stellten die Schüler*innen fest. „Manchmal entsteht Rassismus auch aus Unwissenheit, weil man unbewusst etwas sagt, das den anderen herabsetzt. Fehler passieren, aber es ist wichtig, darauf hinzuweisen und mitzuteilen, was man besser machen kann“, sagt Marten Grußendorf (18). Zum Abschluss der Ausstellung, die im November 2023 in der Schule gezeigt wurde, gab es ebenfalls eine Abendveranstaltung, die von Schüler*innen des Diversity-Rates moderiert wurde und – wie schon die Ausstellung selbst – auf positives Feedback stieß.

Die Aktionen des Diversity-Rates sollen weitergehen, Ideen für Projekte gibt es bereits. „Wir arbeiten zum Beispiel gerade an einem Konzept, um eine Online-Meldestelle an unserer Schule einzurichten, an die sich Betroffenen im Fall von Diskriminierung und Rassismus wenden können“, sagt Eldar. Die Schüler*innen hatten bei ihren Aktionen gemerkt, „dass man etwas bewirken kann. Aber es ist auch ein langwieriger Prozess, ein Umfeld zu schaffen, dass Vielfalt und Gleichberechtigung akzeptiert“, sagt Maitili.


Jonas Walzberg

Deswegen wird der Diversity-Rat auch weiter gebraucht. Viele Oberstufenschüler*innen aus dem Diversity-Rat machen das Abitur und verlassen bald die Schule, doch es gebe auch jüngere Schüler*innen, die sich weiter engagieren wollen. „Gerade in meinem Jahrgang ist den jüngeren Schüler*innen nicht bewusst, was dahintersteckt, wenn sie aus Spaß diskriminierende Wörter gebrauchen“, sagt Jette Gniechwitz (13), die deshalb mitmacht. Ina dagegen hat sich eingebracht, „um sich für mehr Chancengleichheit für alle einzusetzen. Ich bin selbst privilegiert aufgewachsen, dieses Glück haben nicht alle, doch alle sollen die gleichen Rechte und Chancen haben“, sagt sie. Für den Schüler Leonard Schwardt (18) sind auch die gegenwärtigen politischen Entwicklungen mit einem Rechtsruck in Europa Grund genug, sich zu engagieren. „Gerade jetzt ist es besonders wichtig, sich gegen jede Form von Rassismus einzusetzen. Und dafür ist die Schule der beste Ort, denn dort kann man noch etwas erreichen“, sagt Leonard.

Dass ihr Engagement nicht selbstverständlich ist, hat den Schüler*innen die Auszeichnung mit dem Bertini-Preis erst so richtig vor Augen geführt. „Dass wir ihn gewonnen haben, zeigt, dass unser Engagement als etwas Besonderes gewürdigt wird. Und es gibt uns die Motivation, weiterzumachen“, sagt Maitili. Weiterzumachen gegen Ausgrenzung und für ein gleichberechtigtes Miteinander in der Schule und der Gesellschaft.


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