Architecture of Hope – Die Architektur der Hoffnung

BERTINI-Preis 2023 · Helmut-Schmidt-Gymnasium

33 Schüler:innen des Helmut-Schmidt-Gymnasiums in Wilhelmsburg wandten sich gemeinsam mit jüdischen und arabischen Jugendlichen in ihrem Projekt „Architecture of Hope“ gegen Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus. Nach dem Angriff der Hamas auf Israel wurde ihr Engagement erschüttert, aber nicht gestoppt.

Ganz in Weiß gekleidete junge Menschen bewegen sich mit behutsamen Gesten vor dem Hintergrund einer Altstadtgasse oder vor historischen Gemäuern. Sie führen ihre Hände andächtig zusammen, strecken ihre Hände wie in einer Abwehrhaltung vom Körper weg oder richten ihre Arme gen Himmel. Szenen einer Performance, die Gefühle wie Trauer, Wut oder Hoffnung ausdrücken, aufgenommen mit der Videokamera in den Straßen von Córduba im Süden Spaniens.

Die jungen Darstellerinnen und Darsteller sind Schülerinnen und Schüler des Helmut-Schmidt-Gymnasiums in Hamburg-Wilhelmsburg. Anlässlich ihrer Arbeit am Projekt „Architecture of Hope“  entstand dieses Video. Es ist geprägt von ihrer Fassungslosigkeit über den Terrorangriff der radikal-islamistischen Palästinensergruppe Hamas auf Israel am 7. Okober 2023. Ursprünglich war zu diesem Datum eine gemeinsame Projektwoche mit israelischen Jugendlichen in Córdoba geplant. Die Hamburger Jugendlichen wollten mit 16 jüdischen und16 arabischen Jugendlichen zusammentreffen, mit denen sie schon zuvor in Hamburg an ihrem Projekt gearbeitet hatten. In Córdoba sollte ein weiterer Beitrag zu einer Architektur der Hoffnung  für ein friedvolles Miteinander der Kulturen entstehen.


Jonas Walzberg
Jonas Walzberg

Doch der Terrorangriff machte das Zusammentreffen der Gruppe unmöglich. „Nach der Kriegsnachricht fühlten wir uns zunächst innerlich hilflos“, sagt Schülerin Sude Erdim (17). Die Hamburger Schülergruppe war allein nach Spanien gereist und hatte versucht ihren Schock über die Kriegsnachrichten und die Sorge um die israelischen Jugendlichen aus den betroffenen Gebieten künstlerisch zu verarbeiten. So entstand die Videoperformance, die allein auf Gestik setzt. „Wir wollten damit Gefühle wie Hoffnungslosigkeit, Rache, aber auch Vergebung und Zuversicht darstellen“, sagt Zeyneb Azra Azak (17).

Lange hatten sich die Jugendlichen auf das nun verhinderte Treffen vorbereitet. Seit Beginn des Jahres arbeiteten die Schülerinnen und Schüler des Kunstprofils vom Helmut-Schmidt-Gymnasium an dem Projekt „Architecture of Hope“. Das Ziel: Brücken zu bauen zwischen deutschen, jüdischen und arabischen Lebenswelten und Perspektiven. Initiiert wurde das Projekt von Theaterlehrer Hédi Bouden. Es hatte sich aus dem Vorgängerprojekt „Why should I care about History“ im vergangenen Schuljahr entwickelt. Darin war es um die Auseinandersetzung mit dem Holocaust gegangen, sowie um die Themen Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus. Schülerinnen und Schüler aus Wilhelmsburg trafen dazu mit israelischen Jugendlichen in Hamburg, Jerusalem und Tel Aviv zusammen und erarbeiteten gemeinsame künstlerische Aktionen.


Jonas Walzberg

Bei der neuen Kampagne „Architecture of Hope“ sollte es, neben dem Aufzeigen zunehmender Feindlichkeit gegenüber Juden, sowie gegenüber Muslimen, auch um das Anstoßen von Lösungen für ein friedliches Miteinander gehen. Im Juni 2023 empfingen die Wilhelmsburger Jugendlichen dazu in Hamburg zunächst16 jüdische Schülerinnen und Schüler aus der Region Shaar Ha Negev, die im Südbezirk von Israel direkt an der Grenze zu Gaza liegt.

Die Begegnung ermöglichte, sich kennenzulernen, Vorurteile abzubauen und sogar Gemeinsamkeiten zu entdecken. Die Jugendlichen entwickelten aus ihren Erfahrungen ein Theaterstück und eine Performance, in der sie auch den israelbezogenen Antisemitismus mit einbezogen. „Wir wollten die Thematik in die Öffentlichkeit bringen, aber auch eine Brücke bauen zwischen den verschiedenen Welten“, sagt Schüler Peer Petersen (18). Das taten sie ebenfalls mit einer gemeinsam konzipierten Ausstellung in der Barlach Halle K am Klosterwall. „Dort haben wir Objekte präsentiert, die wir oder die anderen Jugendlichen aus ihrem jeweiligen Umfeld mitgebracht hatten. Und zu denen wir Texte schrieben, die den Bezug zum Gegenstand erklärten. Mit dabei war etwa ein gebrochener Stift, der symbolisiert, wie viele Menschen nicht richtig schreiben können. Oder ein Stück Olivenholz oder ein Raketensplitter, die für die jeweiligen Lebenswirklichkeiten der israelischen Schüler stehen“, sagt Sude. Diese Kunstaktionen öffneten den Blick für die Umgebung des jeweils anderen und regten zum Diskurs an.

Jonas Walzberg

„Wir wollten die Thematik in die Öffentlichkeit bringen, aber auch eine Brücke bauen zwischen den verschiedenen Welten“

Peer Petersen (18)


Im September 2023 kamen dann 16 arabische Jugendliche aus Rahat, einer Beduinenstadt in Israel, in die Hansestadt. Auch während dieses Besuches entstanden gemeinsame Aktionen, wie eine weitere Theateraufführung im Bürgerhaus Wilhelmsburg. „Hier ging es unter anderem um das Thema Identität. Wir wollten darstellen, das jeder von uns mit der Suche nach der eigenen Identität zu kämpfen hat, umso mehr wenn man zwischen zwei Welten hin und hergerissen wird, ob etwa als Schüler mit Migrationsgeschichte oder als arabischer Jugendlicher in Israel. Und dass es aber auch Hoffnung gibt“, sagt Peer.  


Jonas Walzberg

Nach der gemeinsamen Arbeit im Juni und September, stand als Höhepunkt das Treffen aller am Projekt beteiligten Jugendlichen im Oktober in Córdoba an – der Stadt, in der in früherer Epoche Juden, Muslime und Christen meist friedlich zusammenlebten und die Region kulturell bereicherten. Doch wegen des Terrorangriffs in Israel konnten weder die arabischen noch die zum Teil direkt vom Angriff betroffenen jüdischen Schüler kommen. „Wir standen immer in Kontakt mit ihnen, so gut es ging, aber die Nachrichten waren bedrückend“, sagt Nastaran Amiry (17). Die Wilhelmsburger Schüler:innen, merkten auch an der Stille im Hostel, wie sehr die insgesamt 32 Jugendlichen aus Israel fehlten.


Den Schülerinnen und Schülern gelang es, die schockierenden Nachrichten zu bewältigen und stellvertretend für die ganze Gruppe die Video-Performance zu erstellen. „Wir waren in dem Moment machtlos, aber wir wollten die Hoffnung nicht aufgeben, und das versuchten wir zu vermitteln“, sagt Christiana Yogvop (17). So haben die Jugendlichen aus dieser Projektwoche auch Positives mitgenommen. „Ich habe gelernt, dass man aus der Situation der Sprachlosigkeit zurückfinden und versuchen kann, aus Trümmern etwas aufzubauen“, sagt Zeyneb.

Nach der Rückkehr nach Hamburg engagierten sich die Schülerinnen und Schüler weiter und  setzen den begonnenen Dialog fort. „Wir sehen uns mit unserem Projekt als Mittler zwischen den verschiedenen Welten“, sagt Schüler Peer Petersen. Und Mitschülerin Nastaran ergänzt: „Wir haben mit unserer Kampagne auch in Zeiten der Dunkelheit einen Raum der Begegnung geschaffen, den wir weiter offenhalten.“

„Wir waren in dem Moment machtlos, aber wir wollten die Hoffnung nicht aufgeben, und das versuchten wir zu vermitteln“

Christiana Yogvop (17)

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