Überleben

BERTINI-Preis 2015 · Gelehrtenschule des Johanneums

11 Schülerinnen und Schüler des Abiturjahrgangs der Gelehrtenschule des Johanneums setzten sich mit den Schicksalen von Überlebenden des Holocaust auseinander und gaben der Erinnerungsarbeit einen neuen Impuls.

Die Jüdin Anita Lasker-Wallfisch wurde 1943 in das KZ Auschwitz deportiert. in dem größten deutschen Konzentrationslager starben weit über eine Million Menschen. Viele wurden gleich nach ihrer Ankunft in den Gaskammern ermordet. Anita Lasker-Wallfisch überlebte das Lager, weil sie Cellistin war. Man brauchte sie im Mädchenorchester von Auschwitz-Birkenau. Das Häftlings-Orchester war gegründet worden, um zur Unterhaltung der Nazis im Lager zu spielen.

Die Geschichte der Musikerin ist eines von mehreren Schicksalen, denen eine Schülergruppe der Gelehrtenschule des Johanneums nachging. Die Jugendlichen wollten sich dem Thema „Holocaust“ über die menschliche Seite nähern. Aber es sollte nicht nur darum gehen, was den Menschen zugestoßen war, sondern auch „wie es mit ihnen weitergegangen ist, wie sie überlebt haben“, erläutert Marguerite Bertheau, 18, das Projekt.

Zunächst hatten sich vier Schülerinnen und Schüler mit den Biografien von jüdischen Holocaust-Überlebenden befasst. Sie lasen die Bücher von Ruth Klüger, Margot Friedlander, Imre Kertész und Primo Levi. In einer Projektwoche entwickelten sie dann ein Konzept für eine szenische Lesung. Die Anregung für das Projekt zur Erinnerungsarbeit kam von der Elsbeth Weichmann Gesellschaft. Die pensionierte Lehrerin Christine von Müller, die am Johanneum Deutsch, Geschichte und Theater unterrichtet hatte, unterstützte die mittlerweile auf elf Jugendliche angewachsene Gruppe bei der Umsetzung.

„Eine szenische Lesung wider das Vergessen“

Ein Projekt von elf Schülerinnen und Schülern des Abiturjahrgangs der Gelehrtenschule des Johanneums, Pate: Axel Zwingenberger

Schüler des Johanneums bei den Proben
Schüler des Johanneums bei den Proben
Schüler des Johanneums bei den Proben

Auszüge aus den vier Biografien dienten als Basis für die szenische Lesung. „Es waren ja Menschen von ganz unterschiedlicher Herkunft, die zwar ein ähnliches Schicksal teilten, aber ganz unterschiedlich damit umgegangen sind“, erzählt Luise Chassol, 17. So wurden die gebürtige Wienerin Ruth Klüger, die später als Germanistik-Professorin in die USA übersiedelte und der ungarische Schriftsteller und spätere Nobelpreisträger für Literatur Imre Kertész schon als Kinder deportiert. Die Berliner Zeitzeugin Margot Friedlander konnte sich lange vor den Nazis verstecken, wurde jedoch 1944 verraten und nach Theresienstadt verschleppt. Der in Italien geborene Chemiker und Schriftsteller Primo Levi war im Widerstand aktiv. Er wurde gefangen genommen und nach Auschwitz- Monowitz deportiert, wo er als Zwangsarbeiter für die Buna-Werke arbeiten musste. Alle verarbeiteten ihre Erlebnisse in individuellen Texten. Imre Kertész erzählte die Geschehnisse aus den Augen eines Kindes. Nüchtern beschrieb dagegen der Wissenschaftler Primo Levi „wie er darauf achtete, sich auch im KZ regelmäßig zu waschen, um die eigene Würde zu bewahren“, berichtet David Lubotsky, 17. Die Schülerinnen und Schüler suchten Lebenssituationen heraus, die für die einzelnen Personen bedeutsam waren. Weil es neben den Unterschiedlichkeiten auch viele Parallelen in der Entwicklung der Lebensläufe gab, teilten sie ihre Textsammlungen in drei Blöcke ein: die Ausgangssituation, der Ausnahmezustand im Lager und das Weiterleben. „Wir wollten deutlich machen, wie sich die Menschen verändert haben in einer Extremsituation, die zu einer Identitätskrise führte und auch nach Auschwitz noch lange nicht vorbei war“, beschreibt Emma Glasmeyer, 17, die Vorgehensweise. Hier sahen die Schülerinnen und Schüler den wichtigsten Ansatz, den sie auch ihrem Publikum vermitteln wollten. „Man hat ja schon viel über den Holocaust gehört, aber durch das Hineinversetzen in die Geschichten der Überlebenden wird man viel mehr zum Nachdenken angeregt“, so Carla Vollmoeller, 18.


Zunächst hatten sich vier Schülerinnen und Schüler mit den Biografien von jüdischen Holocaust-Überlebenden befasst. Sie lasen die Bücher von Ruth Klüger, Margot Friedlander, Imre Kertész und Primo Levi. In einer Projektwoche entwickelten sie dann ein Konzept für eine szenische Lesung. Die Anregung für das Projekt zur Erinnerungsarbeit kam von der Elsbeth Weichmann Gesellschaft. Die pensionierte Lehrerin Christine von Müller, die am Johanneum Deutsch, Geschichte und Theater unterrichtet hatte, unterstützte die mittlerweile auf elf Jugendliche angewachsene Gruppe bei der Umsetzung.


„Wir wollten deutlich machen, wie sich die Menschen verändert haben in einer Extremsituation, die zu einer Identitätskrise führte und auch nach Auschwitz noch lange nicht vorbei war“

Emma Glasmeyer, 17, Schülerin des Abiturjahrgangs


Auszüge aus den vier Biografien dienten als Basis für die szenische Lesung. „Es waren ja Menschen von ganz unterschiedlicher Herkunft, die zwar ein ähnliches Schicksal teilten, aber ganz unterschiedlich damit umgegangen sind“, erzählt Luise Chassol, 17. So wurden die gebürtige Wienerin Ruth Klüger, die später als Germanistik-Professorin in die USA übersiedelte und der ungarische Schriftsteller und spätere Nobelpreisträger für Literatur Imre Kertész schon als Kinder deportiert. Die Berliner Zeitzeugin Margot Friedlander konnte sich lange vor den Nazis verstecken, wurde jedoch 1944 verraten und nach Theresienstadt verschleppt. Der in Italien geborene Chemiker und Schriftsteller Primo Levi war im Widerstand aktiv. Er wurde gefangen genommen und nach Auschwitz- Monowitz deportiert, wo er als Zwangsarbeiter für die Buna-Werke arbeiten musste. Alle verarbeiteten ihre Erlebnisse in individuellen Texten. Imre Kertész erzählte die Geschehnisse aus den Augen eines Kindes. Nüchtern beschrieb dagegen der Wissenschaftler Primo Levi „wie er darauf achtete, sich auch im KZ regelmäßig zu waschen, um die eigene Würde zu bewahren“, berichtet David Lubotsky, 17. Die Schülerinnen und Schüler suchten Lebenssituationen heraus, die für die einzelnen Personen bedeutsam waren. Weil es neben den Unterschiedlichkeiten auch viele Parallelen in der Entwicklung der Lebensläufe gab, teilten sie ihre Textsammlungen in drei Blöcke ein: die Ausgangssituation, der Ausnahmezustand im Lager und das Weiterleben. „Wir wollten deutlich machen, wie sich die Menschen verändert haben in einer Extremsituation, die zu einer Identitätskrise führte und auch nach Auschwitz noch lange nicht vorbei war“, beschreibt Emma Glasmeyer, 17, die Vorgehensweise. Hier sahen die Schülerinnen und Schüler den wichtigsten Ansatz, den sie auch ihrem Publikum vermitteln wollten. „Man hat ja schon viel über den Holocaust gehört, aber durch das Hineinversetzen in die Geschichten der Überlebenden wird man viel mehr zum Nachdenken angeregt“, so Carla Vollmoeller, 18.


Schüler des Johanneums bei den Proben

Am 20. September 2015 fand die Veranstaltung mit dem Titel „Überleben – eine szenische Lesung wider das Vergessen“ schließlich im Resonanzraum des Bunkers an der Feldstraße statt. „Als dunkler, düsterer Raum war es der passende Ort für unsere Lesung“, erklärt Marguerite die Wahl des Ortes. „Mit zusätzlichen Effekten über Licht und Musik konnten wir die Aufmerksamkeit der Zuschauer gleich zu Beginn einfangen“, ergänzt David. Das Konzept ging auf.

„Nach der Lesung waren viele Zuschauer tief bewegt und es hat einen Augenblick gedauert, bis es Applaus gab“, erinnert sich Laurenz Komatsu, 16. Im anschließenden Gespräch standen die Darsteller dem Publikum für Fragen zur Verfügung. „Die Reaktionen waren nachhaltig, Lehrkräfte und Eltern haben sich noch lange über die Aufführung unterhalten“, berichtet Carla. Der Austausch führte auch zu aktuellen Themen, wie den Angriffen auf Flüchtlingsheime. „Deshalb ist es so wichtig, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen“, ergänzt Emma. Für die Schülerinnen und Schüler war das Projekt eine außergewöhnliche Erfahrung. „Je mehr man sich mit einem Schicksal beschäftigt hat, desto näher ist man der Person gekommen, die man dargestellt hat“, sagt Luise. Es sei ein anderer Blickwinkel, den man im üblichen Unterricht nicht einnehmen könne.

Schüler des Johanneums bei den Proben
Schülerin des Johanneums bei den Proben

Du magst diesen Artikel? Dann teile ihn gerne.

Bewerben